
Ich sitz hier gerade bei meinem Mittagessen (5 Minuten Terrine, mal sehen wie lange die vorhält

) und zerbreche mir mein Köpfchen über Eure Beiträge - wird ja sehr politisch hier.
Nun ist hier ein Thema angeklungen, zu dem ich mich den beiden Max'en hier widerspruchslos anschließe. (meine Vorredner)
Beim Nachdenken fiel mir ein Gedicht ein, was ich vor nunmehr fast 2 Jahren mal auswendig lernen musste, ich möchte es als literarischen Zaunpfahl (ich winke damit jedoch nicht

) hier einfließen lassen, weil es über 150 Jahre alt ist und trotzdem eine hohe Aktualität besitzt.
Nennt's Langeweile, nennts verkappten Karasek in mir, oder nennts wie ihr wollt.
Es ist aus Heinrich Heines "Deutschland. Ein Wintermärchen" (mal sehen ob ichs noch fehlerfrei zusammenkriege)
Ich habe mich mit dem Kaiser gezankt,
Im Traum, im Traum nur, versteht sich.
Im wachenden Zustand sprechen wir nicht
mit Kaisern so widersetzig.
Nur träumend, im idealen Traum
wagt ihnen der Deutsche zu sagen
die Deutsche Meinung, die er so tief
im teuren Herzen getragen.
Die Eichen schüttelten ernsthaft das Haupt,
die Birken und Birkenreiser,
Sie nickten so warnend und ich rief:
"Vergib mir, mein teurer Kaiser!
Vergib mir, oh Rotbart das rasche Wort.
Ich weiß, du bist viel weiser
als ich, ich habe so wenig Geduld,
doch komme du bald, mein Kaiser!
Behagt dir das Guillotieren nicht,
so bleib bei den alten Mitteln.
Das Schwert für Edelleute, der Strick
für Bürger und Bauern in Kitteln.
Nur manchmal wechsle ab, und lass
den Adel hängen, und köpfe
ein bisschen die Bürger und Bauern, wir sind
ja alle Gottesgeschöpfe.
Stell wieder her das Halsgericht,
das peinliche Karls des Fünften!
Und teile wieder ein das Volk
nach Ständen, Gilden und Zünften.
Das alte Heilige Römische Reich,
stell's her wieder, das Ganze!
Gib uns den modrigsten Plunder zurück,
mit allem Firlefanze!
Das Mittelalter immerhin,
das wahre wie es gewesen,
Ich will es ertragen, erlöse uns nur
von jenem Zwitterwesen.
Von jenem Kamaschenrittertum,
das ekelhaft ein Gemisch ist
von gotischen Wahn und modernem Lug,
das weder Fleisch noch Fisch ist.
Jag fort das Komödiantenpack,
und schließe die Schauspielhäuser,
Wo man die Vorzeit parodiert!
Komme du bald, oh Kaiser!"
Dieses Caput (es müsste das 17. sein) ist für Heine ein Schritt zur Bewältigung dessen, was er erlebt, als er Deutschland aus seinem Exil besucht (Heine war Demokrat und liberaler Schriftsteller, der infolge der Karlsbader Beschlüsse Deutschland verlassen musste). Durch das sehnliche Herbeiwünschen einer eigentlichen Gewaltherrschaft, die auch allgemein als überholt und unfreiheitlich und unmodern gilt, bringt Heine seinen Unmut über das gegenwärtige System, was für ihn noch viel schlimmer ist, als das alte und schlechteste überhaupt, zum Ausdruck.
Ein Paradoxon, sollte man meinen.
Wer allerdings Heine und die Zeit Heines in Deutschland kennt, sieht in diesem Gedicht auch ein Stück weit Parodie auf die Vorzeit, von der Heine ja selber spricht.
Gerade durch diese Ausdrucksweise und radikale Forderungen wird klar, dass dieses Gedicht nicht zum Aufrufen nach dem Mittelalter ist, sondern zum Nachdenken und vor allem Wachrütteln! Es soll keine Gewaltherrschaft angestrebt werden! Durch Ironie und überzogene Vergleiche erkennt man wird eigentlich die wahre Intention Heines ersichtlich: Auseinandersetzung mit dem naiven Autoritätsglauben, hier am Beispiel der Nationallegende des Kaisers Barbarossa. Der gegenwärtige Zustand sei weder alt noch neu, aber er sei schlecht.
Ich finde, die Paralellen zur heutigen Situation, und gerade auch auf das, was hier in den vorherigen Beiträgen klar wurde, sind gut erkennbar und deshalb hat es mich dazu bewegt, euch diesen Text mal näher zu bringen. Vielleicht näher, als man Samstag Mittag vertragen könnte, aber verschweigen wollt ichs euch nicht.
In diesem Sinne, bleibt schön aufmerksam und lernt, lernt lernt.

Schaut mal: Wozu bräuchte ich als angehender Mechatroniker noch solchen Schnullifax? Ich musste das Gedicht mal lernen, OK. Zum Erlangen des Abiturs, OK. Aber wieso behalte ich sowas im Gedächtnis, wo ich doch als angehender Techniker sowas überhaupt nicht mehr brauche? Ganz einfach: Weil es manchmal hilft, Dinge entweder zu verstehen, oder Dinge mit anderen bereits vergangen Dingen zu vergleichen, und damit die Welt ein Stück weit auch bewerten zu können, und das ist mir genauso wichtig, wie mein technischer Beruf.
Mahlzeit!
mfG Christoph